... Hygienemaßnahmen waren Bestandteil im Sachverständigengutachten.
Die Parteien stritten in dem vom AG Coburg zu entscheidenden Fall über die Erstattung restlicher Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall in Höhe von 98,08 € wegen der Zahlungsverweigerung von Desinfektionskosten durch den beklagten Haftpflichtversicherer. Urteil vom 26.10.2020, AZ: 14 C 2259/20
Nach Ansicht des AG Coburg sind aber auch die Kosten für eine unfallbedingte Desinfektion des Fahrzeugs zu erstatten. „Bei den Kosten für Hygienemaßnahmen handelt es sich um einen Teil des erforderlichen Herstellungsaufwandes im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Als erforderlich sind dabei diejenigen Kosten anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte“.
Dies heißt in der Übersetzung, dass das Werkstattrisiko zulasten des Schädigers geht.
Ein Geschädigter darf nach der subjektbezogenen Schadenbetrachtung grundsätzlich darauf vertrauen, dass die in dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten kalkulierten Arbeitsschritte und das hierfür benötigte Material zur Schadenbeseitigung erforderlich sind und darf demgemäß einer Werkstatt den Auftrag erteilen, gemäß Gutachten zu reparieren. Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stelle, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind. Es besteht kein Grund, dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Ein Auswahlverschulden der Klägerin ist insoweit nicht zu erkennen. Die durch die Werkstatt in der Reparaturrechnung belegten Aufwendungen sind im Allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der Reparaturkosten. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind hier die Kosten der Hygienemaßnahmen ersatzfähig. Mangels besserer Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten hat der Kläger diese Kosten für erforderlich halten dürfen, zumal die Kosten auch im Sachverständigengutachten kalkuliert sind. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Beklagte Haftpflichtversicherung die Reinigungskosten als solche bestreitet. Die Reparatur und die Abrechnung sind der Einflusssphäre des Geschädigten entzogen.
Es besteht kein Grund, dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Daher war auch kein Beweis über die Hygienemaßnahmen zu erheben, da das Werkstattrisiko eben auch Arbeiten umfassen würde, die nicht ausgeführt wurden.“ Die Kosten waren auch in der Sache erforderlich. Aufgrund der Corona-Pandemie müssen sämtliche Kontaktflächen vor und nach den Arbeiten desinfiziert werden. Der dadurch entstehende Personal- und Materialaufwand kann in Rechnung gestellt werden. „Bei der Frage der Erstattungsfähigkeit von Desinfektionsmaßnahmen ist es unerheblich, ob die Maßnahmen auch tatsächlich durchgeführt wurden, denn das Werkstattrisiko erstreckt sich auch auf solche Maßnahmen, die in Wirklichkeit nicht durchgeführt wurden.
Quelle: autorechtaktuell